INTERVIEW MIT WILFRIED REINERS, ANWALT FÜR IT-RECHT
Microsoft Teams bekommt ein neues Feature: Ab Dezember 2025 kann die Plattform automatisch erkennen, ob sich Mitarbeitende im Büro befinden – etwa über die Verbindung mit einem bestimmten WLAN oder einem Gerät wie einem Monitor. Die Funktion ist zunächst deaktiviert und muss aktiv eingerichtet werden. Doch was bedeutet das für den Datenschutz?
Wir haben mit Wilfried Reiners, dem renommierten Anwalt für IT-Recht bei unserem Partner PRW Rechtsanwälte, gesprochen und ihm alle wichtigen Fragen gestellt. Im Interview erklärt er, welche rechtlichen Anforderungen Unternehmen beachten müssen und wo Risiken liegen.
Herr Reiners, welche Daten verarbeitet Microsoft Teams bei der automatischen Arbeitsorterkennung?
Wilfried Reiners:
Verarbeitet werden unter anderem WLAN-SSIDs, MAC-Adressen, Gerätekennungen, die Zuordnung zu Gebäuden sowie Benutzerkennungen wie die Entra ID. Diese Daten sind personenbezogen im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO, da sie sich auf identifizierbare Personen beziehen.
Ist die Nutzung dieser Funktion datenschutzrechtlich zulässig?
Wilfried Reiners:
Nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Verarbeitung ist nur dann zulässig, wenn eine aktive, freiwillige Einwilligung der Beschäftigten vorliegt. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. März 2023, das die Anwendung von § 26 BDSG einschränkt. Unternehmen sollten daher auf Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO als Rechtsgrundlage setzen.
Welche Informationspflichten ergeben sich daraus?
Wilfried Reiners:
Nach Art. 13 DSGVO müssen Beschäftigte vor Aktivierung der Funktion umfassend informiert werden – über den Zweck der Verarbeitung, die Art der Daten, die Rechtsgrundlage, die Speicherdauer, die Empfänger (z. B. Microsoft als Auftragsverarbeiter) sowie über ihre Widerrufsmöglichkeiten.
Muss eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt werden?
Wilfried Reiners:
Ja, eine DSFA nach Art. 35 DSGVO ist erforderlich. Es werden Standortdaten verarbeitet, Beschäftigte sind betroffen und die Datenverarbeitung erfolgt durch ein US-Unternehmen. Die Verarbeitung fällt zudem unter die typischen „Blacklists“ der Datenschutzaufsichtsbehörden, etwa bei Bewegungsprofilen.
Wie sieht es mit der Datenübermittlung in die USA aus?
Wilfried Reiners:
Seit Juli 2023 gibt es einen Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission für das EU–US Data Privacy Framework. Microsoft ist dort registriert, sodass die Übermittlung grundsätzlich zulässig ist – sofern alle Unterauftragsverarbeiter ebenfalls zertifiziert sind. Die Verarbeitung muss im Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO dokumentiert werden.
Ist der Betriebsrat bei der Einführung der Funktion zu beteiligen?
Wilfried Reiners:
Unbedingt. Die automatische Erkennung des Aufenthaltsortes kann Rückschlüsse auf Verhalten oder Leistung zulassen. Damit fällt sie unter § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und ist mitbestimmungspflichtig. Eine Zustimmung oder Betriebsvereinbarung ist vor Aktivierung erforderlich.
Welche technischen Maßnahmen müssen Unternehmen treffen?
Wilfried Reiners:
Die Organisation, die die Funktion aktiviert, ist Verantwortlicher im Sinne von Art. 24 DSGVO. Sie muss geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen – etwa die eingeschränkte Speicherung der Standortdaten, deren Löschung am Ende des Arbeitstages sowie Zugriffs- und Protokollierungskonzepte. Hier braucht es transparente Konzepte und deren Umsetzung
Was empfehlen Sie Unternehmen konkret?
Wilfried Reiners:
Wer das Feature nicht nutzen will, lässt es einfach Default-mäßig deaktiviert und muss keine Maßnahmen treffen. Ich finde es übrigens prima, dass es diesmal so herum gelöst ist. Oft kennen wir das genau andersherum.
Unternehmen hingegen, die das neue Feature nutzen wollen, sollten folgendermaßen vorgehen – hier eine kompakte To-Do-Liste:
Vielen Dank, Herr Reiners!
Die automatische Arbeitsorterkennung ist technisch interessant, aber datenschutzrechtlich sensibel. Wer das neue Feature nutzen will, muss unbedingt alle rechtlichen Vorkehrungen treffen, denn es erlaubt Rückschlüsse auf das Verhalten von Beschäftigten. Deshalb darf es nur mit ausdrücklicher Einwilligung und Beteiligung des Betriebsrats eingesetzt werden. Transparenz, eine DSFA und die Dokumentation der Drittlandübermittlung sind zwingend erforderlich.
Wer sich gegen die Nutzung des Features entscheidet, kann es im Default-Zustand belassen, denn es ist nicht automatisch aktiviert.
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